Galgen Pichl-Großdorf
PositionLand/Region Steiermark, Bezirk Bruck an der Mur, Gemeinde Tragöß
33 N 505706 / 5262790 UTM/WGS84
BeschreibungObjektbeschreibung
Der Galgen bei Pichl-Großdorf (bei Baltl1 als "Galgen Schattenberg" bezeichnet) besteht aus drei aus Bruchsteinen gemauerten, sich nach oben etwas verjüngenden Rundsäulen mit Mörtelputz. Die Säulen wurden offensichtlich vor kurzem2 renoviert, dabei frisch verputzt und gegen Abwitterung am oberen Ende mit Abdeckplatten aus Beton versehen.

Historischer Kontext
Das im 13. Jahrhundert entstandene Landgericht St. Peter bei Leoben wurde später geteilt, ein Teil war das neu entstandene Landgericht Freienstein. Dieses wurde zwischen 1450 und 1460 in die Landgerichte Freienstein und Landskron aufgeteilt, letzteres wurde auch Brucker Landgericht genannt, da es des öfteren vom Landesherrn dem Markt Bruck an der Mur verpfändet worden ist. Aus dem Landskroner Landgericht wurde in weiterer Folge das Landgericht Tragöß abgeteilt.3 Bereits um das Jahr 1010 schenkte Kaiser Heinrich II. das Tragößtal der Kirche zu Göss. Die 34. Äbtissin von Göss, eine Johanna Gräfin Kollonitsch, erwarb im Jahre 1654 das Landgericht zu Tragöß um 1600 Gulden und 12 Dukaten von der Stadt Bruck an der Mur. Um diese Zeit wurde auch der hier besprochene Galgen errichtet. Das seit 1650 bestehende Landgericht war im Hindlerbauernhof in Großdorf untergebracht, der Gerichtsdiener und die Arreste in dem vis-a-vis gelegenen Bachbauerngebäude.4 Am Weg von Großdorf zum Galgenwald stand früher zu Beginn des Waldes, rechts gegen den Grantlitzteich auf einer kleinen Anhöhe ein steinernes Kreuz, das Urlaubskreuz oder auch das Armesünderkreuz genannt wurde. Vor dem Kreuz war eine Grube mit Brettern verdeckt, worauf der zum Tode Verurteilte gestellt und wo demselben das Todesurteil vorgelesen wurde, bald darauf folgte die Exekution am rückwärts auf einer Anhöhe befindlichen Galgen.5

1493 wurde in Tragöß Pfarrer Melchior Lang von angeblich acht Waldbauern oder Holzknechten vor der Türe seines Pfarrhofes ermordet, nachdem man ihm während der Predigt aus der Kirche vertrieben hatte. Lang wurde 1897 bei Krauß als "gottesfürchtiger, aber strenger Priester" umschrieben, der sich durch "seinen Eifer, mit welchem er die Fehler seiner Gemeinde rügte, den Haß derselben" zuzog. Die Sage berichtet, daß als Konsequenz dieses - vermutlich im Kontext der aufkeimenden Glaubens- und Bauernkriege zu interpretierenden - lokalen Aufstands, eigens zu diesem Zweck der hier beschriebene Galgen errichtet wurde, um die Täter zu justifizieren. Der Fall hält noch einige morbide Details bereit: Langs' gespaltener Schädel wurde bei den jährlich am Tag der Tat stattfindenden Opfergängen, zu derer Abhaltung die Gemeinde für 100 Jahre verpflichtet wurde, als Opfergefäß verwendet und bis 1847 in der Kirche in einer Nische zur Schau gestellt. Seine Beinknochen hingegen wurden halb aus der Wand ragend im Altarraum eingemauert. Im Zeitalter der Industrialisierung und ein Jahr von der Revolution schienen die Reliquien jedoch keine besondere Bedeutung oder Funktion mehr besessen zu haben: da die herausstehenden Knochen bei der Aufstellung des neuen Altars hinderlich waren, wurde kurzerhand ein Zimmermannslehrling beauftragt sie abzusägen. Schädelopfergefäß und Beinknochen wurden am Friedhof bestattet.6 Peter Rosegger hat in seinem Roman "Der Gottsucher" die Ereignisse rund um den Mord literarisch verarbeitet.7 Pfarrer lebten in Tragöß weiterhin gefährlich, die Gegenreformation schien im abgeschiedenen Tal auf hartnäckige Widerstände gestoßen zu sein: Ende des 16. Jahrhunderts versuchten mehrere Männer den damaligen Pfarrer zu ermorden, der jedoch nach Aflenz fliehen könnte. 1708 erfolgte schließlich der letzte Mordversuch gegen einen Tragößer Pfarrer, Johann Georg Rothschädel hieß das Opfer.

Standort und Lage
Die ehemalige Halsgerichtsstätte des Landgerichts Tragöß8 befindet sich westlich der Straße zwischen Pichl-Großdorf und Oberort-Tragöß, im sogenannten Galgenwald. Von Pichl-Großdorf führt ein markierter Weg zum Galgenwald, folgt man diesem, erkennt man kurz nach Erreichen des Waldes die Säulen rechter Hand zwischen den Bäumen.
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1 [Baltl57; S. 79]
2 Lokalaugenschein am 7.9.2002
3 [LGKE1-1; S. 32f]
4 [Krauß97; Band 1; S. 237ff]
5 Laut der Gedenktafel neben dem Galgen
6 [Krauß97; Band 1; S. 237f]
7 [Baltl57; S. 79]
8 [LGK; Blatt 11], das Hochgericht ist jedoch in der Karte nicht eingezeichnet

Literatur: [Baltl57; S. 79], [Krauß97; Band 1; S. 235ff]
Bilder/Plan
07.09.2002Planskizze

© Stefan Lefnaer 14.03.2015